Führung in der Albertina für Demenz-Betroffene

 

Praktikantinnen des BLPP Teams begleiteten am 10 Mai 2016 das erste Mal Bewohnende des Maimonides-Zentrums zu einer ca. eineinhalb Stunden währenden Kunstvermittlung in die Albertina. Maximal können 8 Demenz-Betroffene mit ebenso vielen Begleitern an dieser Führung mit ausgewählten Kunstwerken teilnehmen. Es wird ein eigenes Führungsformat mit definiertem Rahmen für das sinnliche und emotionale Erleben der ausgewählten Kunstwerke bereitgestellt, in dem Erinnerungen, Gefühle und Sinneseindrücke unter empathischer und fachlicher Begleitung durch das Betrachten und Besprechen der Werke ermöglicht werden. So werden Gelegenheiten eröffnet, Erfolgserlebnisse spürbar gemacht, und schöne gemeinsame Momente verbracht. 

 

 

 

Eine Reise in den Sommer

Was sehen Sie hier?

Eine erste Frage, die in die Runde gestellt eine Einladung ausspricht an unsere Bewohnenden, zu fantasieren, zu assoziieren, zu fühlen, zu sehen, zu spüren, zu riechen. Frau Spreckelsen, unsere empathische Begleiterin, Kunstvermittlerin, steht vor Henri Lebasque’s Auf der grünen Bank und blickt fragend in die Runde, die sich um sie neugierig geworden versammelt .

Was also sehen wir? Wir Bewohnenden und Praktizierenden und Begleitenden des Maimonides-Zentrums.

Eine grüne Bank. Auf der grünen Bank, eine Frau. Eingehüllt in langem weitem Kimono, gezeichnet von blauschattierten Mustern mit gelben Blättern. Da sitzt sie also, mit überkreuzten Beinen. Einen Arm auf der Banklehne, der Kopf auf ihm ruhend. Wie sieht diese Frau aus? So die nächste Frage die uns beschäftigt. Etwas herausfordernd, befindet Frau K. Mit sehr viel Charme beschreibt Frau B. die schöne Frau auf der grünen Bank. Wie eine Schauspielerin gar, soll sie aussehen, assoziiert Frau S. Gedankenvoll und nachdenklich wirkt die geheimnisvolle Unbekannte im Blau und Gelb ihres Kimonos, eingebettet in aufblühenden, erwachenden Frühlingsfarben. Hinter der Bank, hinter ihr stehend, ein nur in feinen Gesichtsakzenten andeutendes junges Mädchen, zart nuancierte rote Lippen, die Augen sich langsam öffnend, sehend und wissend um den sie umgebenden erwachenden Frühling. Auf ihrem Sommerhut mit Schleife angesteckte frische Frühlingsblumen. Der aufkeimende, in seiner Schönheit alles ergreifende betörende Frühling.

Was sehen Sie noch auf dem Bild? Frau Spreckelsen möchte es genau wissen, fragt in die mittlerweile munter gewordene sich regende Runde. Blumen, ja, es sind Rosen. Ein Sommerhut, auch das ist zu sehen. Haben Sie schon das blaue Buch entdeckt? macht sie uns aufmerksam. Zu welcher Jahreszeit wird dieser Hut getragen? Genau, im Sommer, es ist ein Sommerhut, den Frau Spreckelsen zu unserer Überraschung nun aus ihrem mitgebrachten Koffer packt. Ein luftig leichter Strohhut mit schwarzer Schleife, genau wie auf dem Bild mit der Frau auf der grünen Bank, den das junge Mädchen hinter ihr stehend tragend. Er wird in die Runde geführt, immer weiter und  weiter gereicht. So rückt der Frühling Sommer von Schoß zu Schoß und Hand zu Hand immer um ein, zwei Schritte näher, wird fühlbar, tastbar, fassbar, greifbar nah, mochaschi auf Iwrit, sagt Eti. Dann die schönen Rosen. Eine in Gelb, eine in Rosa, an der wir riechen, die Augen dabei schließen, ihre süßen Aromen tief in uns einatmen und wieder ausatmen. Frau Spreckelsen hält dabei die Rosen in der Hand, geht zu jedem Bewohnenden, zu jeder Begleiterin, spricht uns namentlich an, fragt ob wir daran riechen wollen, ja, das wollen wir. Sie hält sie uns unter die Nase und lässt uns ihren Duft einsaugen. Eine wohltuende Sommerfrische lässt die Teilnehmerinnenrunde weiter aufblühen. Auch Seidentücher werden gereicht. Wie sich wohl so ein seidig samt weicher Kimono auf unserer Haut anfühlen mag? Geschmeidig und angenehm fühlen sie sich auf der Haut unserer Bewohnenden an, immer noch samtig weich, trotz Falten, Runzeln, Einrissen, Narben, trockener Oberfläche, Altersflecken, Zittern.

So dürfen wir mit einigen unserer Sinne den herannahenden Frühling Sommer mit seinen ihm ganz eigen verbundenen Aromen sehen, an ihm riechen, ihn mit unseren Händen ertasten und fühlen wie er unsere Haut geschmeidig samtweich umhüllt. Ein sinnliches Kunsterlebnis in das Frau Spreckelsen uns in äußerst kompetenter wie empathischer Manier als Begleiterin führt und so Gesehenes mit Händen, Fingern, Fingerkuppen ertasten lässt, die unsere Nase bereits wittert.

 

Ein zweites Bild Stillleben mit Sprotten von Rudolf Wacker wird gezeigt, bestaunt. Frau Spreckelsen öffnet auch hier ihren Koffer, noch ein, zwei Orangen, Plastikfische in einer Tüte, ein Glas mit Watte darin, aus dem Fischgeruch herausströmt, eine Jungzwiebel durchgereicht an ihr gerochen wird. Waren Sie schon mal Angeln an der schönen blauen Donau? Angelbewegungen dazu, dann Fragen zum Alter der Bewohnenden als das Bild gemalt.

Wir verabschieden uns von den dargebotenen Bildern, den vielen Sinneskaskaden die wir mitnehmen, den hinundher getauschten Gedanken, und verlassen die Albertina und Frau Spreckelsen mit Erinnerungen von eindrücklich bleibender Qualität.

 

Verfasst von Anni Lilian Surenian

Organisation: BLPP – Böhmer Laufer Psychosoziales Praktikum

 

 


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